Schon bald wird sich die US-Präsidentschaftswahl entscheiden. Die Frage, ob Kamala Harris oder Donald Trump den Sieg erringen kann, hat weitreichende Konsequenzen: Innenpolitisch, geopolitisch, vor allem aber auch hinsichtlich der Wirkung auf die globale Wirtschaft und die internationalen Finanzmärkte. Tugrul Kolad, Head of Fixed Income bei Amundi Deutschland, erläutert im Interview, mit welchen Szenarien Anlegerinnen und Anleger rechnen sollten.
Herr Kolad, wie würden die Aktienmärkte reagieren, sollte Donald Trump die US-Wahl gewinnen und die Republikaner beide Kammern des Parlaments für sich entscheiden können?
Ein Sieg mit einer Mehrheit in beiden Kammern des Parlaments, also im Repräsentantenhaus und Senat, würde die Aktienmärkte gewiss sehr positiv stimmen. Denn Donald Trump möchte bekanntlich die Körperschaftssteuer senken – von aktuell 21% in Richtung 15% – was in jedem Fall sehr positiv für die US-Unternehmen wäre. Zudem würde er einige Regelungen aufheben, was die Unternehmen und damit die Aktienmärkte zusätzlich beflügeln dürfte.
Würde das auch für die Anleihemärkte gelten?
Nein, eher nicht. Das deuteten ja bereits die sinkenden Anleihekurse nach dem TV-Duell mit Präsident Biden an, als ein Wahlsieg Trumps vielen wieder als sehr wahrscheinlich schien. Denn Trump möchte ja bekanntlich gerne Zölle auf Importgüter erheben. Das soll zwar dafür sorgen, dass US-Unternehmen beginnen, diese Güter wieder selbst zu produzieren, doch kurzfristig wirkt das über ansteigende Importpreise eher inflationstreibend. Dies dürfte die US-Notenbank Fed zu Zinsanhebungen veranlassen. Die Senkung der Steuern könnte wiederum zu Budgetdefiziten führen, die durch vermehrte Anleihe-Emissionen kompensiert werden müssten. In letzter Konsequenz würden also die Rentenmärkte durch diese Politik eher belastet werden.
Dürfte die Schuldenlast unter einer Präsidentin Kamala Harris nicht auch steigen?
Das wäre wahrscheinlich zu erwarten, ja. Sollten die Demokraten die Präsidentschaftswahlen und zugleich die Kongresswahlen gewinnen, könnte Kamala Harris ihre angekündigte Körperschaftssteuererhöhung sowie viele soziale Beihilfen und auch öffentliche Investitionen in die Infrastruktur durchsetzen. Allerdings schätzen wir, dass der Schuldenstand bei Harris als Präsidentin nicht die gleiche Höhe erreichen dürfte wie im Falle eines Wahlsiegs von Donald Trump.
Was wäre denn mit Blick auf die Begrenzung der US-Verschuldung sozusagen der „beste“ Wahlausgang?
Wenn Harris gewinnt und das Parlament zwischen Republikanern und Demokraten geteilt bleibt, erwarten wir den geringsten Anstieg der Neuverschuldung. Sollte Trump gewinnen und der Senat sowie das Repräsentantenhaus parteipolitisch unterschiedliche Mehrheiten haben, hätte er natürlich auch nicht die volle Freiheit durchzuregieren. Das Budgetdefizit und die Schuldenquote würden aber dennoch deutlicher ansteigen.
Welche konjunkturelle Entwicklung in den USA erwarten Sie generell für das nächste Jahr?
Wir gehen von einem konjunkturellen Soft Landing aus. Dieses Jahr könnte es nach unserer Schätzung noch 2,6% Wachstum geben, für 2025 dürfte es sich auf 1,9% verlangsamen – das Wachstum bleibt aber somit voraussichtlich deutlich positiv.
Was bedeutet das für die Allokation?
Wegen der Unsicherheiten, die sich aus dem Kopf-an-Kopf-Rennen bei der US-Wahl ergeben, sind wir momentan noch moderat allokiert, auch wenn wir weiter Chancen für das Aktiensegment sehen. Man sollte sich vorerst auf die Grundtendenzen konzentrieren: eine Verlängerung des Marktaufschwungs für die sogenannten risikobehafteten Anlagesegmente – wie Aktien – sowie eine breite Diversifikation für den Fall einer vorübergehend höheren Volatilität, und insofern die Berücksichtigung von Anleihen.
Dies im Übrigen nicht nur, weil wir nach der langen Nullzinsphase wieder attraktive Ertragsmöglichkeiten bei Anleihen sehen, sondern auch, weil die Korrelation zwischen Aktien und Renten wieder negativ, also gegenläufig, ist. Das ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die ausgleichende Absicherungsfunktion dieser beiden Anlageklassen innerhalb eines Portfolios nun wieder gut klappt, nachdem wir in den Jahren 2020 bis 2022 einen gewissen Gleichlauf gesehen hatten. In Summe könnten also Multi-Asset-Portfolios ihre Vorteile in diesem Szenario ausspielen. Mit Blick auf den aktuell schwer prognostizierbaren Ausgang der US-Wahl sollten Anlegerinnen und Anleger aber generell eine gewisse Flexibilität wahren.
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