Im Amundi CIO-Update „Spezial“ am 10. April zu den Auswirkungen von Trumps Zoll-Politik ordnete Helen Windischbauer, Head of Multi-Asset Solutions bei Amundi Deutschland, die aktuell komplexe Situation an den Kapitalmärkten ein. Auf was Anlegerinnen und Anleger jetzt besonders achten sollten, erläuterte die renommierte Expertin im ausführlichen Interview.

Frau Windischbauer, Trumps Zollpolitik hat die Börsen der Welt in ein historisches Ab und Auf verwickelt. Können Sie uns bitte kurz die Logik hinter Trumps Agenda erklären?

Trump hat seine Intention klar gemacht: Bis April wollte er alle Handelsbeziehungen prüfen lassen. Am sogenannten Liberation Day hat er uns dann sein berühmtes Tableau mit Zöllen gegen viele Länder präsentiert. Der Schreck war entsprechend groß, doch in Trumps Weltbild sind die bestehenden Handelsbilanzdefizite unfair. Er sieht das offenbar weniger aus dem Blickwinkel, dass freier Handel Wohlstand für alle bewirken kann. Vielmehr pocht er darauf, dass die USA der Welt Sicherheit sowie eine Leit- und Reservewährung bieten und dafür etwas bezahlt werden sollte. Seine Mittel der Wahl sind Zölle, die rund 500 Mrd. US-Dollar in die Staatskasse spülen sollen.

Hat Sie das nun 90-tägige Zoll-Moratorium überrascht?

Wir wurden alle überrascht, ja. Die Achterbahnfahrt an den Börsen ist Ausdruck davon. Zuerst preisten die Märkte eine weltweite Rezession ein. Denn die Zölle belasten das Wachstum, die Lieferketten und führen zu einem Anstieg der Inflation. Seit Ankündigung des Moratoriums haben sich allerdings die meisten Märkte wieder etwas erholt und spiegeln nur noch eine Wachstumsverlangsamung – allerdings gilt das vorerst, wir werden dann perspektivisch sehen, wie zufrieden Trump mit den Deals in den nächsten rund drei Monaten sein wird. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass 10% Basiszölle, viele der ersten Strafzölle – etwa auf Stahl und Aluminium – sowie die harten Zölle gegen China auch während des Moratoriums in Kraft bleiben.

Wie erklärt sich eigentlich der Umschwung in Trumps Zoll-Agenda? Haben ihn die Rekordverluste an den Börsen also beeindruckt?

Mein Eindruck ist, dass er den Abschwung an den Aktienmärkten noch relativ cool hingenommen hat. Als aber die Spreads auf den Anleihemärkten stark auseinanderliefen und es zu Verwerfungen kam, hat er reagiert. Das unterstreicht die These, dass Trumps absolutes Augenmerk in seiner zweiten Amtszeit auf den Staatsfinanzen liegt. Wenn er die US-Verschuldung von 120% des GDP in den Griff kriegen will, schaden ihm die langfristig höheren Zinserwartungen. In Anlehnung an den bekannten „Fed-Put“ spricht man deshalb gerade vom Moratorium als „Trump-Put“.

Welches Bild zeigte sich an den Rentenmärkten konkret?

Die Renditen der 10-jährigen US-Treasuries fielen bereits seit Jahresbeginn, doch mit dem Moratorium brachen sie regelrecht ein. Deutsche 10jährige Staatsanleihen zeigten sich weit weniger beeindruckt und festigten in den letzten Tagen ihren Ruf als sicherer Hafen. Ein ähnliches Bild ergibt sich auch im Hinblick auf den Vergleich europäischer und US-Unternehmensanleihen: Der US-Markt schwankt deutlich stärker. Insgesamt sollten Anlegerinnen und Anleger deshalb auch auf die Qualität der Anleihen achten und das Segment „Investment Grade“ bevorzugen.

Wie haben Sie denn auf die unübersichtliche Situation in ihren Portfolios reagiert?

Im Vorfeld zum Liberation Day am 1. April haben wir natürlich das Risiko reduziert, sowohl mit defensiveren Anlageklassen, als auch innerhalb der Anlageklassen mit einem Fokus auf möglichst stabile Titel und Branchen. Nun öffnen wir uns wieder selektiv für Chancen, wenngleich die Volatilität auf absehbare Zeit hoch bleiben dürfte. Neben den guten Nachrichten, dass es vorerst keine Rezession geben dürfte und die KGVs an den Börsen wieder attraktiver sind, erwarten wir auch einige Belastungen: So könnten es zu Gewinnrevisionen kommen und zu einer Verlangsamung des Wachstums in den USA. Die Zölle sind ja nicht weg und könnten auch noch ihre inflationäre Entwicklung entfalten. Also: Erstes Licht am Horizont, aber wir haben noch etwas Weg vor uns.

Wie sehen Sie die Anlagechancen in Europa? Ist der „Alte Kontinent“ „back“?

Man muss abwarten, bis sich die aktuelle Aufregung wieder etwas gesetzt hat. Aber ja, einiges spricht für Europa. Etwa das niedrige Zinsniveau, oder die – auch dank Importen aus den USA – niedrigen Energiepreise. Vom massiven Fiskalpaket der neuen deutschen Regierung kommen auch starke Wachstumsimpulse für Deutschland und Europa.

Wie wird die EZB nun reagieren?

Wegen des noch langsamen Wachstums wird die EZB die Zinsen weiter senken. Eine Pause ist gut möglich, aber der sogenannte „neutrale Zins“ bei 1,75% dürfte für dieses Jahr noch das Ziel sein. 

Wie bewerten Sie das Koalitionspapier der mutmaßlich neuen Bundesregierung?

Ich bin vorsichtig optimistisch, dass es wieder etwas bergauf geht. Es gibt Erleichterungen für die Unternehmen und die Bürger, das ist schon einmal gut. Wichtig bleibt, dass wir in Europa zusammenhalten und auch, dass Fiskalpakete für sinnvolle Zukunftsinvestitionen eingesetzt werden. Insgesamt erscheint das Koalitionspapier in dieser Hinsicht etwas kleinteilig. Alles in allem sollten wir aber der neuen Regierung erstmal einen gewissen „Kredit“ geben.

Sofern nicht anders angegeben, stammen alle Informationen in diesem Dokument von Amundi Asset Management und sind aktuell mit Stand 10.04.2025. Die in diesem Dokument vertretenen Einschätzungen der Entwicklung von Wirtschaft und Märkten sind die gegenwärtige Meinung von Amundi Asset Management. Diese Einschätzungen können sich jederzeit aufgrund von Marktentwicklungen oder anderer Faktoren ändern. Es ist nicht gewährleistet, dass sich Länder, Märkte oder Sektoren so entwickeln wie erwartet. Diese Einschätzungen sind nicht als Anlageberatung, Empfehlungen für bestimmte Wertpapiere oder Indikation zum Handel im Auftrag bestimmter Produkte von Amundi Asset Management zu sehen. Es besteht keine Garantie, dass die erörterten Prognosen tatsächlich eintreten oder dass sich diese Entwicklungen fortsetzen.