„Märkte robust, doch Enttäuschungspotenzial für US-Aktien wächst“
Die US-Aktienmärkte blicken zurück auf zwei starke Jahre mit hohen Kurszuwächsen. Warum zwar weiter Chancen für Anleger bestehen, aber auch das Enttäuschungspotenzial wächst, erläuterte Thomas Kruse, CIO von Amundi Deutschland im ausführlichen Interview. Der renommierte Experte bewertete im aktuellen Umfeld auch langlaufende Staatsanleihen als aussichtsreiche Anlageklasse und betonte die Stärken von Multi-Asset-Portfolios in volatilen Märkten.
Herr Kruse, trotz der Erwartung sinkender Leitzinsen steigen die Renditen von langfristigen Anleihen immer mehr an. Was sind die Gründe für diese Entwicklung, insbesondere am US-Anleihemarkt?
Da spielt beispielsweise das Thema Inflation eine Rolle. Im September des vergangenen Jahres lagen wir in den USA noch bei 2,4% Preisauftrieb, nun geht es wieder Richtung 3%. Die Konjunktur läuft dort wieder so gut, dass viele Markteilnehmer sich fragen, ob der Zielwert der Fed von rund 2,0% Inflation wirklich für Ende 2025 oder Anfang 2026 realistisch ist. Zudem erwartet die US-Notenbank Fed im Zuge von Trumps Agenda bei Zöllen und Migration offensichtlich weitere Impulse für einen möglichen Preisauftrieb. Sprich: Die Luft für weitere Zinssenkung empfinden viele als etwas dünner, was die Renditen der längerfristigen Anleihen wieder etwas nach oben treibt.
Ab wann könnte diese Attraktivität von Anleihen zu einer Belastung der Aktienmärkte werden?
Das hängt wesentlich von den Aussichten und Gewinnerwartungen der Unternehmen ab. Wenn ich auf den US-Aktienmarkt blicke, haben wir zwei Jahre in Folge eine sehr gute Performance von um die 20% gehabt. Das zeigt sich allerdings nun auch in einer hohen historischen Bewertung bei einem KGV von rund 21,5 bis 22. Wir erwarten für 2025 nochmals einen Gewinnanstieg von etwa 11%, was relativ betrachtet ein hoher Wert ist. Eine stolze Bewertung bei gleichzeitig hoher Erwartung birgt allerdings die Gefahr der Enttäuschung: Käme es nicht so positiv, hätten wir auch deutlicheren Korrekturbedarf. Im Übrigen stellt sich die Attraktivität höher verzinster Anleihen aus Unternehmenssicht natürlich generell anders dar, als für Anleiheanleger – höhere Zinsen belasten ab einem bestimmten Punkt Schuldentilgung und Investitionsbereitschaft von Unternehmen dermaßen, dass sie zu einer signifikanten finanziellen und strategischen Bürde werden. Allein über diesen Mechanismus könnten die Aktienmärkte weniger attraktiv werden.
Also könnten neben einer steigenden Inflation oder Konjunktursorgen auch die hohen Zinsen Auslöser einer Korrektur sein?
Wir haben zwar ein gute Konjunkturerwartung für die USA, aber niedriger als letztes Jahr. Und wir haben die Erwartung, dass sich die Inflationsraten wieder normalisieren. Beides ist ein schmaler Grat. Ist die Konjunktur zu stark, wird das mit der rückläufigen Inflation Richtung 2,0% vermutlich nicht klappen. Dann könnten die Notenbanken die Zinsen nicht senken, um die Wirtschaft weiter zu stimulieren. Kommt die Konjunktur hingegen ins Schwächeln, und das Wachstum ginge in Richtung +1% zurück, dann käme der Aktienmarkt von dieser Seite vermutlich ebenso unter Druck.
2024 waren ja gerade die KI-Aktien ein Treiber der wichtigsten Indizes. Könnten sie diese positive Rolle auch 2025 wieder ausfüllen?
Da sind wir eher skeptisch. Zwar sind die Gewinnerwartungen mit 18% immer noch höher als im breiten S&P 500, doch Mitte 2024 hatten die KI-Unternehmen noch gut 50%-Zuwächse gegenüber dem Vorjahr. Wir sehen also hier eine Normalisierung. Auch wegen der bereits hohen Bewertung fokussieren wir uns bei Amundi nicht mehr auf diese Titel und würden beispielsweise eher in einen gleichgewichteten S&P-500-Index investieren. Denn gerade in den Nicht-KI-Segmenten des S&P 500 gibt es noch Bewertungen, die wir als attraktiv betrachten.
Was sollten Anlegerinnen und Anleger in diesem Umfeld beachten?
Das bislang Gesagte lässt sich so zusammenfassen, dass wir in den USA zwar noch mit einer robusten Konjunktur rechnen, aber nur noch mit einem einstelligen Plus im Aktienmarkt von etwa 5-8%. Wir haben auf der Anleiheseite ein Zinsniveau, das attraktiv ist und bei 10jährigen US-Staatsanleihen wieder Richtung 5% reicht. Deshalb halten wir Mischfonds momentan für eine gute Möglichkeit. Anlegerinnen und Anleger könnten alternativ auch über Rentenfonds nachdenken, denn vielleicht gehen die Renditen sogar noch etwas über die 5% hinaus. Wenn die Leitzinsen dann auf Sicht wieder sinken, hat man neben dem attraktiven Zinsertrag auch noch die Chance auf entsprechende Kursgewinne.
Wie reagieren Mischfondsmanager auf das aktuelle Umfeld?
In Multi-Asset-Fonds muss man sich zur Gewichtung von Aktien und Anleihen keine Gedanken mehr machen, das übernimmt das Fondsmanagement. Kommt das Team beispielsweise zur Überzeugung, die Aktienmärkte seien tendenziell ausgereizt, dann würde entsprechend der Anleiheteil erhöht. Innerhalb des Anleiheblocks wird dann mit Blick auf die attraktiven, langlaufenden Staatsanleihen der Anteil dieser längerfristigen Schuldverschreibungen ausgebaut. Wir erhöhen also die sogenannte Duration. Ändert sich das Zinsszenario – zum Beispiel wie im letzten September –, dann wird diese Duration im Fonds auch wieder aktiv entsprechend verkürzt. Diese umfassende Expertise ist für Privatanleger nur mit viel Aufwand zu erwerben, weshalb solche Mischfonds gerade eine besonders bequeme Form der Kapitalanlage sein könnten.
Sofern nicht anders angegeben, stammen alle Informationen in diesem Dokument von Amundi Asset Management und sind aktuell mit Stand 16.01.2025. Die in diesem Dokument vertretenen Einschätzungen der Entwicklung von Wirtschaft und Märkten sind die gegenwärtige Meinung von Amundi Asset Management. Diese Einschätzungen können sich jederzeit aufgrund von Marktentwicklungen oder anderer Faktoren ändern. Es ist nicht gewährleistet, dass sich Länder, Märkte oder Sektoren so entwickeln wie erwartet. Diese Einschätzungen sind nicht als Anlageberatung, Empfehlungen für bestimmte Wertpapiere oder Indikation zum Handel im Auftrag bestimmter Produkte von Amundi Asset Management zu sehen. Es besteht keine Garantie, dass die erörterten Prognosen tatsächlich eintreten oder dass sich diese Entwicklungen fortsetzen.