Im CIO-Talk auf der jüngsten „Partnerkonferenz 2025 – HypoVereinsbank meets Amundi“ analysierten die Chefstrategen Thomas Kruse von Amundi Deutschland und Dr. Philip Gisdakis von der HypoVereinsbank die aktuelle Marktsituation. Trotz volatiler Finanzmärkte waren sich die renommierten Experten einig, dass sich Anlegern perspektivisch weiter interessante Chancen bieten – etwa im Bereich europäischer Aktien.

Herr Kruse, wir erleben gerade bewegte Zeiten, politisch und an den Finanzmärkten. Welcher größten Herausforderung wird sich die Weltwirtschaft – Ihrer Meinung nach – stellen müssen?

Kruse: Wir von Amundi sehen das Thema Inflation mittelfristig als das größte Risiko an. Denn Trumps Zollpläne dürften perspektivisch den Preisauftrieb begünstigen. Das könnte auch an indirekten Effekten liegen, denn die Wertschöpfungs- und Lieferketten werden sich dadurch signifikant ändern. Dass solche Friktionen dann inflationsfördernd wirken könnten, kennen wir noch aus der Coronazeit oder von der wochenlangen Blockade des Suez-Kanals durch ein havariertes Schiff. Aber auch wenn Trump wie angekündigt bei der illegalen Migration hart durchgreift, könnte das Arbeitsangebot in den USA um 10 Mio. Personen abnehmen. Eine signifikante Lohninflation wäre eine mögliche Folge.

Kann es unter diesen Voraussetzungen mit einer starken Wertentwicklung an den US-Börsen so weitergehen?

Kruse: Die Outperformance der USA dürfte vorerst zu Ende gehen. Zumal diese in erster Linie von den sogenannten „Magnificent Seven“ – den US-Tech-Riesen Nvidia, Amazon, Apple, Meta, Tesla, Alphabet und Microsoft – angetrieben wurde, die nun unter Druck geraten sind. Deren Gewinnerwartungen schrumpfen deutlich. Deshalb rechnen wir auch eher damit, dass bei den US-Aktien künftig die Unternehmen „unterhalb“ dieser Superkonzerne für gute Wertentwicklungen sorgen könnten. Doch relativ betrachtet ist auch China mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von „nur“ um die acht wieder attraktiver geworden und auch das Momentum für Europas Aktienmärkte nimmt zu.

Herr Dr. Gisdakis, sind auch Sie optimistisch für Europa und Deutschland?

Dr. Gisdakis: Durchaus, die avisierte „Finanzbazooka“ aus gelockerter Schuldenbremse für Rüstung und Sondervermögen für Infrastruktur und Klima könnte ein echter Game Changer werden. Zumal Deutschland durchaus in der Lage ist, diese Ausgaben und Verpflichtungen zu stemmen, ohne die Fiskalbilanz zu gefährden – eine Verschuldungsquote von dann bis zu 80% des BIP wäre immer noch im Rahmen, gerade im internationalen Vergleich. Die Wirtschaftsimpulse aus diesen Programmen wären aber mittelfristig sowohl für Deutschland als indirekt auch für Europa beachtlich.

Sie rechnen also künftig mit ruhigerem Fahrwasser für Kapitalanleger?

Dr. Gisdakis: In der kurzfristigen Betrachtung nicht. Hier müssen wir uns eher auf größere Unsicherheiten und eine relativ hohe Volatilität einrichten. Mögliche Rücksetzer an den Börsen könnte man dann allerdings gezielt für strategische Zukäufe nutzen. Mittelfristig sind wir in der Tat wieder positiv und zuversichtlich, dass sich in Deutschland und Europa gute Anlagechancen bieten.

Herr Kruse, die US-Märkte haben nun bereits etwas korrigiert, obwohl Trump ja als positiv für die Börsen galt. Woran liegt das?

Kruse: Die erratische Zollpolitik Trumps schürt Unsicherheiten und die Preise steigen. Im Gegenzug sinken Trumps hohe Zustimmungswerte seit der Wahl nun erstmals. Ich gehe auch davon aus, dass er da und dort hohe Zölle durchsetzen wird, wie das Beispiel China aktuell zeigt. Doch, ob er so weit geht, dass er die Konjunktur aufs Spiel setzt, bezweifle ich momentan. 

Auch der US-Dollar hat jüngst schwächer tendiert. Kann er seinen Nimbus als sicherer Hafen halten?

Kruse: Zuvor war der US-Dollar ja recht stark bewertet. Allerdings fahren die Notenbanken in den USA und Europa nun einen unterschiedlicheren Kurs – bei der Fed hat man zwischenzeitlich sogar eine Zinsanhebung als möglich erachtet. Natürlich rechnet der Markt mit höheren US-Schulden unter Trump, bis hin zu einer Verschuldungsquote von 140% zum BIP. Das dürfte die US-Währung auf längere Sicht schwächen. Doch als globale Leitwährung wird der US-Dollar weiter eine wichtige Rolle spielen.

Die Zinsstrukturkurve normalisiert sich gerade wieder mit steigenden Zinsen am langen Ende. Was bedeutet das für Anleger konkret?

Dr. Gisdakis: Wir gehen davon aus, dass die EZB die Zinsen weiter senken wird, wenn auch nicht so stark wie ursprünglich geplant. Wir könnten also in diesem Jahr bei einem Einlagezins von 2,0% oder 1,75% landen, entsprechend dürften die Zinsen am kurzen Ende nach unten und am langen nach oben wandern. Deshalb halten wir momentan in den Anleiheportfolios die Duration etwas kürzer und bleiben generell flexibel.

Wie allokieren sie derzeit im Aktienbereich?

Dr. Gisdakis: Wir verschieben die Gewichtung etwas in Richtung europäischer Aktien und bevorzugen auch eher zyklische Branchen. In unseren Mischportfolios setzen wir im Übrigen auch auf Gold als Beimischung. In einem ausgewogenen Portfolio aus Aktien und Anleihen könnten angesichts der vorher genannten Unsicherheiten beispielsweise um die 3% Gold eine sinnvolle Ergänzung sein.  

Könnten auch Schwellenländer wieder eine wichtigere Rolle für Anleger spielen?

Kruse: Die relativ günstige Bewertung sollte beispielsweise China wieder mehr in den Fokus rücken. Die chinesische Führung hatte gerade weitere 2% des BIP für Investitionen freigegeben und zugleich die zwischenzeitlich strenge Reglementierung der Technologiefirmen teilweise zurückgenommen. Der Erfolgsfall „Deep Seek“ zeigt, dass China zu Durchbrüchen bei der Künstlichen Intelligenz (KI) im Stande ist. Insofern dürften perspektivisch auch wieder mehr Kapitalanleger auf die Chancen von Chinas Wirtschaft setzen.

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