Beim jüngsten „Amundi CIO-Update“ erläuterte Helen Windischbauer, Head of Multi Asset Solutions bei Amundi Deutschland, die Stimmung an den Leitmärkten in den USA und Europa. Welche Rolle dabei die Geopolitik spielt, analysierte im Anschluss der hochkarätige Gastreferent Christoph Heusgen. Der ehemalige Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz und langjährige Sicherheitsberater von Ex-Kanzlerin Angela Merkel beleuchtete im Interview das aktuell schwierige Verhältnis zwischen den USA und Europa.

Frau Windischbauer, würden Sie uns das aktuelle Stimmungsbild an den US-amerikanischen Aktienmärkten skizzieren?

Gerne. Generell lässt sich sagen, dass für ein noch so kurzes Jahr bereits eine Menge passiert ist. Das liegt insbesondere am Amtsantritt Donald Trumps, der zuerst hohe Erwartungen und positive Börsen mit sich brachte. Nun verlagert sich der Fokus wegen seiner erratischen Zollpolitik aber eher auf die Risiken seiner Agenda – etwa die potenziell preistreibende Wirkung. Noch bleibt die US-Inflation zwar recht stabil, doch die langfristigen Inflationserwartungen steigen und zugleich fällt das US-Verbrauchervertrauen auf ein Vierjahrestief. Die Unsicherheiten nehmen also eher zu. Kein optimales Umfeld für US-Aktien, die nach der Euphorie zu Jahresbeginn nun bereits etwas nach unten korrigiert haben. Auch die amerikanische Notenbank wartet jetzt offenbar erstmal die weitere Entwicklung ab und setzt den Zinssenkungspfad und damit die positiven Impulse für die Konjunktur gerade aus. 

Wie ist die Stimmung in Europa?

Bei uns zeigt sich gerade ein wenig Optimismus: Der europäische Einkaufsmanagerindex stieg jüngst leicht an und die Inflation ist auf 2,4% gefallen. Auch in Deutschland hat sich der ifo-Geschäftsklima-Index etwas aufgehellt, wenngleich auf niedrigem Niveau. Die EZB stützte die Konjunktur mit einer Zinssenkung im März um 0,25 Basispunkte. Insgesamt laufen europäische Aktien und auch deutsche Unternehmenstitel recht gut und sind gerade im Vergleich mit den USA als momentan günstig zu bewerten – vor allem mit Blick auf die immer noch enormen Bewertungen der US-Mega Caps.

Welche Rolle spielt denn das stattliche Fiskalpaket, das der alte Bundestag kürzlich noch verabschiedet hat?

Das hat die zunehmende Euphorie für europäische Aktien klar unterfüttert. Vor allem die Sektoren Rüstung, Infrastruktur, Maschinenbau und auch Finanzwerte konnten bereits profitieren und sollten perspektivisch attraktiv bleiben.

Herr Heusgen, der Impuls zum Aussetzen der Schuldenbremse für Verteidigungszwecke und Rüstung wurde maßgeblich ausgelöst durch die Rede des US-Vizepräsidenten Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Wie haben Sie diese bereits historische Rede vor Ort selbst erlebt?

Auf eine sicherheitspolitische Rede, die uns Europäer mahnen würde, die Rüstungsausgaben zu steigern und einen signifikanten Sicherheitsbeitrag – vor allem im Ukrainekrieg – zu leisten, waren wir eingestellt. Dass Vance dann eine rein ideologische Rede gehalten hat und die Unterdrückung der Meinungsfreiheit unterstellte, hat uns dann überrascht und schockiert. Die gemeinsame Wertebasis, die wir lange mit den USA geteilt hatten, war plötzlich nicht mehr da. Das zeigte kurz darauf auch die Art und Weise, wie Präsident Selenskyj im Weißen Haus vorgeführt wurde. Deshalb schlägt nun die Stunde Europas: Es ist klar geworden, dass wir uns stärker auf uns selbst besinnen müssen.

Das Fiskalpaket zielt ja ganz klar auf eine Stärkung der deutschen Rüstung ab. Wie wurde das denn in Ihrer Wahrnehmung international aufgenommen?

Das ist ein starkes Signal und wird bei unseren Freunden sehr begrüßt, wie mir eine Vielzahl an positiven Rückmeldungen zeigt. Die Botschaft an Europa und die USA lautet: „Deutschland ist zurück!“ Das ist übrigens auch in Moskau angekommen, wo man sich nicht sonderlich begeistert gezeigt hat, dass Europa nun „aufsteht“. Da sind die Initiativen von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zur Stärkung der europäischen Rüstung ein weiterer richtiger Schritt zu einer neuen, selbstbewussten Positionierung Europas.

Wie sollten die EU und eine neue Bundesregierung nun konkret mit der US-Regierung unter Donald Trump umgehen?

Ich sehe die EU gut vorbereitet auf einen Handelskonflikt, beispielsweise mit möglichen Gegenzöllen. Doch die Verhandlungswege sollten stets offen bleiben. Wir haben ein Interesse daran, mit den Amerikanern gut auszukommen. Wir sollten aber auch ein Signal der Stärke senden und dabei darauf achten, dass sich die Situation nicht durch unser Handeln verschlechtert. Ich hoffe auch auf Friedrich Merz und seine lange Erfahrung als Transatlantiker: Es wäre wichtig, dass er einen guten Draht nach Washington finden kann.

Frau Windischbauer, wie schauen die Märkte auf die provokante Zollpolitik Trumps?

Die Gefahr eines Zoll- und Handelskonflikts ist gerade mit Blick auf das globale BIP problematisch. Die OECD rechnet bereits mit einem niedrigeren Wachstum in der Welt sowie Rezessionen in Mexiko und Kanada. Ob die Erwartung Trumps auf rundum positive Zolleinnahmen für die USA auch eintritt, sehe ich mit Blick auf mögliche Risiken – etwa in Sachen Preisauftrieb oder die Möglichkeit von Gegenzöllen – skeptisch. Wir sind überzeugt: Ein Handels- und Zollkrieg kennt im Grunde nur Verlierer. 

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Sofern nicht anders angegeben, stammen alle Informationen in diesem Dokument von Amundi Asset Management und sind aktuell mit Stand 27.03.2025. Die in diesem Dokument vertretenen Einschätzungen der Entwicklung von Wirtschaft und Märkten sind die gegenwärtige Meinung von Amundi Asset Management. Diese Einschätzungen können sich jederzeit aufgrund von Marktentwicklungen oder anderer Faktoren ändern. Es ist nicht gewährleistet, dass sich Länder, Märkte oder Sektoren so entwickeln wie erwartet. Diese Einschätzungen sind nicht als Anlageberatung, Empfehlungen für bestimmte Wertpapiere oder Indikation zum Handel im Auftrag bestimmter Produkte von Amundi Asset Management zu sehen. Es besteht keine Garantie, dass die erörterten Prognosen tatsächlich eintreten oder dass sich diese Entwicklungen fortsetzen.