Deutliche Kursschwankungen an den Märkten sorgten Anfang/Mitte August für Unruhe unter Kapitalanlegern. Wie es dazu kam, weshalb es im Herbst wieder ein positiveres Umfeld geben könnte und welche Themen dann im Fokus stehen dürften, erläutert Thomas Kruse, CIO von Amundi Deutschland, im ausführlichen Interview.

Anfang/Mitte August kam es zu recht deutlichen Turbulenzen an den Börsen. Wie deuten Sie die aktuelle Situation, Herr Kruse?

In der Tat haben wir beachtliche, teils historische Kursausschläge wie im japanischen NIKKEI-Index an den Märkten gesehen. Doch das Stichwort Sommerloch ist wahrscheinlich auch ein Teil der Antwort auf die Frage nach dem „Warum“. Denn solange viele wichtige Marktteilnehmer noch in der Sommerfrische sind, können bei deutlich geringerer Liquidität bereits vergleichsweise wenige Investoren die Märkte stark in die eine oder andere Richtung bewegen.

Bemerkenswert an der Aufregung war aber, dass wir einen Schwenk in der Fokussierung der Märkte gesehen haben: Weg von der Fixierung auf die Themenkreise Inflation und Zinsschritte der Notenbanken, hin zu den Wirtschaftsdaten.

Wie kam es zu diesem Wechsel der Perspektive?

Man könnte sagen, zuvor herrschte eine gewisse Einseitigkeit in der Betrachtung vor. Sowohl was die Bewertung und die Gewichtung der großen Top-Titel im S&P 500 anging, als auch die Einschätzung, dass Trump die Präsidentschaftswahlen gewinnen wird, oder das Credo „higher for longer“ mit Blick auf die Leitzinsen. Auch das Soft Landing war an den Märkten mit hoher Wahrscheinlichkeit eingepreist. Man könnte fast schon von einer gewissen Sorglosigkeit sprechen. Deshalb haben die schlechten US-Arbeitsmarktzahlen und die Kursrutsche in Japan nun die Diskussion um eine mögliche Rezession wieder so deutlich angeheizt.

Was bedeutet das für die Entwicklung der Leitzinsen und die Notenbankpolitik?

Eine spannende Frage. In kurzer Zeit haben wir da sehr viel Bewegung bei den Prognosen zu den Zinsschritten gesehen. Wir von Amundi gehen seit Mai von drei Schritten aus und bleiben auch dabei. Denn für Not-Zinssenkungen, wie sie zwischenzeitlich bereits gefordert wurden, sehen wir fundamental keine Notwendigkeit. Außerdem wäre eine so starke Reaktion der US-Notenbank Fed aus unserer Sicht das völlig falsche Signal. Das würde nur die Sorge vor einer Rezession füttern.

Welche weiteren Themen spielen nun für das 2. Halbjahr eine wichtige Rolle?

Das Thema Rotation hat ja bereits Ende Juli begonnen und die hohen Bewertungen der zehn Top-Titel im S&P 500 im Vergleich zu den anderen Index-Aktien relativiert. Das ist aus unserer Sicht gesund und sollte sich tendenziell auch fortsetzen. Das Thema US-Präsidentschaftswahl ist nun mit der Nominierung von Kamala Harris wieder komplett offen und wird die Märkte beschäftigen. Dieses wichtige Thema werden wir übrigens auf unserer Investment Konferenz für professionelle Investoren am 25. September ausführlich diskutieren (Anmeldung unter www.amundi-events.de).

Und, wie bereits erwähnt, dürfte die Beachtung und Deutung der Konjunktur- und Wirtschaftsdaten deutlich zunehmen.

Denken Sie, wir haben die tiefsten Kurse des Jahres somit bereits gesehen?

Es ist noch Unruhe im Markt, deshalb könnten die Aktienmärkte zwischenzeitlich auch nochmal etwas zurückgehen. Doch rechnen wir dabei mit weniger Volatilität als Anfang August. Und wir gehen davon aus, dass sich die Kurse ab Mitte September mit stabilisierender Unterstützung der Fed dann auch wieder nach oben bewegen dürften.

Könnte es also einen positiven Herbst für Anleger geben?

Ich denke schon. Wir sehen zwar, dass die Dynamik der Wirtschaft nachlässt, haben aber keine Daten, die auf eine Rezession hindeuten. Für die USA erwarten wir von Amundi dieses Jahr insgesamt 2,3% Wachstum und 2025 noch 1,7%. Das ist im Vergleich mit Europa eine ganze Menge. Hier rechnen wir für 2024 in der EU nur mit einem mageren Plus von 0,8%. Die hohe europäische Sparquote und mögliche weitere Zinssenkungen der EZB im Herbst könnten aber auch bei uns wieder für etwas mehr Dynamik sorgen.

Welche Themen und Anlageklassen könnten Anleger noch im Blick haben?

Emerging Markets könnten als Beimischung interessant sein. Allerdings sollten Anlegerinnen und Anleger dabei nicht nur an China und Indien denken, sondern beispielsweise an Lateinamerika oder Osteuropa. Ein Engagement in Japan halten wir nach den jüngsten Turbulenzen noch für verfrüht und bleiben vorsichtig. Bei den Rohstoffen sehen wir konjunkturabhängige Metalle kritisch, Gold aber weiterhin als gute Absicherung gegen geopolitische Krisen.

Und festverzinsliche Wertpapiere?

Anleihen bleiben für uns generell ein wichtiger Bestandteil von Multi-Asset-Portfolios. Wegen der guten Risikodiversifizierung sind Mischfonds auch im derzeitig anspruchsvollen Marktumfeld eine attraktive Lösung für alle, die sich nicht zu 100% der Volatilität von Aktien aussetzen wollen.

Sofern nicht anders angegeben, stammen alle Informationen in diesem Dokument von Amundi Asset Management und sind aktuell mit Stand 21.08.2024. Die in diesem Dokument vertretenen Einschätzungen der Entwicklung von Wirtschaft und Märkten sind die gegenwärtige Meinung von Amundi Asset Management. Diese Einschätzungen können sich jederzeit aufgrund von Marktentwicklungen oder anderer Faktoren ändern. Es ist nicht gewährleistet, dass sich Länder, Märkte oder Sektoren so entwickeln wie erwartet. Diese Einschätzungen sind nicht als Anlageberatung, Empfehlungen für bestimmte Wertpapiere oder Indikation zum Handel im Auftrag bestimmter Produkte von Amundi Asset Management zu sehen. Es besteht keine Garantie, dass die erörterten Prognosen tatsächlich eintreten oder dass sich diese Entwicklungen fortsetzen.