Welche Entwicklungen an den Kapitalmärkten aktuell besonders relevant sind und wo für das zweite Halbjahr Investmentchancen, aber auch Risiken bestehen, erörtert Helen Windischbauer, Head of Multi Asset Solutions bei Amundi Deutschland, im Interview.
Wie werden sich die nächsten Monate an den Finanzmärkten aus Ihrer Sicht entwickeln?
Grundsätzlich sind wir optimistisch für das zweite Halbjahr, vor allem für Aktien. Hier sehen wir Möglichkeiten durch Gewinnsteigerungen der Unternehmen. Dies gilt aber auch für die Anleihemärkte. Denn wir erwarten im Verlauf des zweiten Halbjahres tatsächlich Zinssenkungen in den USA und weitere in Europa. Das hat wiederum positive Effekte auf Anleihenkurse. Und auch für Gold sind wir positiv.
Kann es angesichts vieler Höchststände an den Aktienmärkten in den USA und Europa zu Korrekturen kommen?
Durchaus. Gerade bei sehr hohen Bewertungen ist die Möglichkeit oder die Gefahr gegeben, dass die Aktienkurse korrigieren, und dies auch deutlich. Das könnte vor allem dann passieren, wenn die Unternehmen die anspruchsvollen Gewinnerwartungen nicht mehr erfüllen. Aber diese hohen Bewertungen sind vor allem auf einen kleinen Teil des Marktes konzentriert. Wir gehen davon aus, dass der restliche Markt hinsichtlich Performance nachziehen kann – mittlerweile ein bisschen stärker durch die Gewinnentwicklung unterstützt.
Welche Alternativen gibt es zu den großen Tech-Unternehmen, die den Markt massiv bestimmen?
Wir haben vor allem bei den „Magnificent Seven“, also den großen US-Hightech-Unternehmen, eine Art Sonder-Boom gesehen, der von der KI-Entwicklung und dem technologischen Fortschritt fundamental getrieben war. Je größer eine Aktie in der Regel in den Indizes wird, desto stärker wird diese berücksichtigt. Das führt dazu, dass die sieben Unternehmen inzwischen einen Großteil bestimmter Indizes ausmachen. Aber deshalb sollten wir nicht den Fehler machen, den Großteil des Aktienmarktes komplett zur Seite zu schieben. Im Gegenteil, hier sehen wir Aufholpotenzial.
Warum ist das so?
Viele Unternehmen werden durch die relativ robuste wirtschaftliche Entwicklung auch in der Breite profitieren können. Das heißt, dass auch die Gewinnentwicklungen der restlichen Firmen nachziehen können. Wir denken, dass auf alle Fälle Zinssenkungen kommen, die den Unternehmen in Bezug auf Finanzierungsbedingungen oder Finanzierungskosten helfen. Und es ist tatsächlich so, dass vor allem kleinere und mittlere Unternehmen stärker davon profitieren, wenn die Zinsen nach unten gehen, als die größeren Player.
Wir wird sich das Gewinnwachstum über das Jahr 2024 hinweg entwickeln?
Die Erwartungen für das Gewinnwachstums der „Magnificent Seven“ wird natürlich nicht komplett abbrechen. Aber was sich zeigen dürfte: Die restlichen Unternehmen des Marktes haben sich in ihren Gewinnschätzungen langsam nach oben gearbeitet und werden im weiteren Verlauf des Jahres wahrscheinlich höhere Gewinne melden können. Wichtig dabei: Es geht hier um das Gewinnwachstum, nicht um den absoluten Gewinn. Der ist sicherlich noch deutlich höher, wenn man sich die einzelnen Unternehmen ansieht. Aber an der Börse wird Zukunft gehandelt. Wenn die Wachstumsaussichten bei manchen Unternehmen zurückgehen und bei anderen steigen, wird sich das in der Regel auch in den Kursen niederschlagen.
Und welche Chancen sehen Sie für den Anleihemarkt?
Aufgrund der kommenden Zinssenkungen sehen wir gute Chancen. Den ersten Zinsschritt der europäischen Zentralbank EZB gab es bereits. Wir gehen davon aus, dass auch die US-Notenbank Fed in diesem Jahr zwei Zinsschritte nach unten wagen wird. Dann kommt es zu Aufholpotenzial bei Staatsanleihen, aber auch bei Unternehmensanleihen, die neben ihrem Kreditaspekt auch noch den Zinsaspekt mittragen und natürlich auch von niedrigeren Zinsen profitieren können.
Warum ist die Risikostreuung für den Portfolioaufbau aus Ihrer Sicht so wichtig?
Auch wenn wir optimistisch gestimmt sind, im restlichen Verlauf des Jahres dürften wir noch einige Risiken sehen. Es gibt weiterhin geopolitische Spannungen, die sich intensivieren könnten. Die Frage bleibt, ob die eine oder andere Wirtschaft in eine Rezession abrutschen könnte. Davon gehen wir aktuell zwar nicht aus, es könnte aber passieren. Eine weitere Frage ist, ob die Inflation sich in dem Tempo weiter so zurückbildet, wie sie es bislang getan hat.
Es gibt also einige Risiken, die man entsprechend im Portfolio berücksichtigen sollte. Deshalb bauen wir zum Beispiel einen gewissen Prozentsatz Gold in die gemischten (oder Multi-Asset) Portfolien ein. Wir setzen aber auch auf Real Assets, also Sachwerte, und nur zu einem kleinen Teil auf Inflations-Anleihen, um dem Risiko der doch etwas persistenten Inflation begegnen zu können. Es ist aus unserer Sicht also durchaus angeraten, im weiteren Verlauf des Jahres neben dem aktuell optimistischen Bild das Portfolio zu diversifizieren und sich auf mögliche Risiken einzustellen.
Sofern nicht anders angegeben, stammen alle Informationen in diesem Dokument von Amundi Asset Management und sind aktuell mit Stand 24.07.2024. Die in diesem Dokument vertretenen Einschätzungen der Entwicklung von Wirtschaft und Märkten sind die gegenwärtige Meinung von Amundi Asset Management. Diese Einschätzungen können sich jederzeit aufgrund von Marktentwicklungen oder anderer Faktoren ändern. Es ist nicht gewährleistet, dass sich Länder, Märkte oder Sektoren so entwickeln wie erwartet. Diese Einschätzungen sind nicht als Anlageberatung, Empfehlungen für bestimmte Wertpapiere oder Indikation zum Handel im Auftrag bestimmter Produkte von Amundi Asset Management zu sehen. Es besteht keine Garantie, dass die erörterten Prognosen tatsächlich eintreten oder dass sich diese Entwicklungen fortsetzen.